Sonntag, 20. November 2016
Essanfälle und Rückfallprophylaxe
Wie jede
Suchterkrankung, weist auch eine Essstörung bestimmte Kriterien auf, die einer
Sucht ähneln. Ein Beispiel dafür ist der Kontrolleverlust dem Essen gegenüber, eine
anfängliche Befriedigung und Beruhigung bei der Essenaufnahme, Reizbarkeit,
schlechte Verstimmung bei Abstinenz usw. Essen wie jedes Suchtstoff hat eine
spezifische Funktion und dient der Emotionsregulation. Betroffene können in
ihrer Selbstbeobachtung drei Arte von Essanfällen unterscheiden:
-
Im Affekt (z.B wenn sie in einer
Extremsituation stattfinden.) In diesem Fall fühlen sich Betroffene von ihren
Gefühlen getrieben. Die Reaktion auf äußere und innere Zustände läuft schnell
ab. Sie haben das Gefühl, dass sie ihr Verhalten weder steuern noch beeinflussen
können.
Beispiel: Laura hatte gestern ein Vorstellungsgespräch. Es ist leider
nicht so gelaufen, wie sie erwartete. Als sie rauskam, war sie von ihren
Gefühlen überflutet, ist sie in die erste Bäckerei reingegangen und hat 3
Berliner, 2 Franzbrötchen, 2 belegte Brötchen hineingestopft.
Sie hatte vorher den Essanfall nicht geplant. Er hat sich aus der
aktuellen Belastung ergeben.
-
Ein Essanfall, der sich langsam
ankündigt: Es
passiert oft, wenn der Betroffene merkt, dass der Tag schwierig werden konnte. Trotzdem
sorgt er nicht richtig für sich. Z.B. Obwohl er weiß, dass er das regelmäßige
Essen einüben soll, überspringt er trotzdem eine Mahlzeit. Obwohl er weiß, dass
er Entspannung braucht, streicht er seine Sportstunde ab und bleibt länger auf
der Arbeit. Usw.
Beispiel: Elke arbeitet vollzeitig und weiß genau, welche Situationen
ihre Essanfälle auslösen könnten. Anstatt auszubalancieren=
immer wieder versuchen, im Laufe des Tages positive Gefühle und Erfahrungen zu
sammeln, die ihren Tag retten, streicht sie diese ab und begibt sich in die
Gefahr.
-
Ein geplanter Essanfall: Betroffene planen genau, wann sie
einen Essanfall haben wollen. In ihren Gedanken laufen bereits Bilder über
Einkäufe, Lebensmittel, Ort, wo er stattfinden soll, Terminabsage, usw. Falls sie
vorher verabredet waren, sagen sie ihre Verabredungen ab. Alles richtet sich um
die Einplanung, das Lebensmittekonsum und die Erholung davon, wie bei den
Suchtstoffen. Die Besonderheit eines geplanten Essanfalls ist die gedankliche
Fokussierung mit dem Essanfall. Der Rest rück leider in den Hintergrund.
Beispiel: Sonja sitzt im Büro und ist genervt. Sie hat gerade mit ihrer
Kollegin über eine Bestellung diskutiert, die storniert werden muss. In ihrem
Kopf läuft ein Filmband mit verschiedenen Bildern, wie sie heute Abend
gemütlich ihren Essanfall gestalten kann, was und wie viel sie kaufen möchte,
was für eine Ausrede sie ihr Freund finden muss, damit sie alleine zuhause
bleibt. usw. Sonja plant im Voraus einen Essanfall, um ihre Gefühlslage zu
verbessern und ihren Stress zu reduzieren.
All diese drei Arten von Essanfällen können beeinflusst werden.
Betroffene müssen sich zuerst das Wissen über Essanfälle eignen. Ein Essanfall
kann sich beispielsweise auf drei Ebene ankündigen.
1) Die körperliche Ebene: durch Symptome
des vegetativen Nervensystems. In Form von Unruhe, Herzklopfen, Reizbarkeit.
Der Körper sagt: „Du brauchst das Essen, damit es dir besser geht“. Betroffene
haben erfahren, dass die Essanfälle kurzfristig unangenehme Gefühle beseitigen.
Sie beseitigen innere Unruhe, Herzklopfen usw. Auf der körperlichen Ebene
spielt die Einführung in das regelmäßige Essen eine immense Rolle. Wenn wir
regelmäßig essen, beseitigen wir den Hunger. D.h. Wenn unser Körper uns sagt,
dass wir essen müssen, täuscht er sich. Es ist nicht der Körper, der Hunger
hat, sondern der Kopf. Essdruck besteht im Kopf. Die körperlichen Symptome sind
nur ein Zeichen unserer Abhängigkeit. Sie werden irgendwann abklingen, wenn wir
die Essstörung überwinden und das Essen nicht mehr nutzen, um körperliche
Symptome abzumildern.
2) Die gedankliche Ebene: Gedanken
drehen ständig um das Essen und Nicht-essen. Verzerrte Gedanke dominieren uns stark:
„Ich schaffe es nicht auszuhalten. Ich muss etwas essen, damit es mir besser
geht.“ „Es hat alles keinen Sinn. Ich werde nie gesund. Ich brauche meine
Essanfälle, um mich zu beruhigen“.
3) Die emotionale Ebene: Emotionen
stellen eine Gefahr dar. Betroffene wollen sie nicht spüren. Aufgrund ihrer
Essanfälle sind sie nicht mehr daran gewöhnt, ihre Emotionen zu fühlen. Wenn
sie keine Essanfälle haben, spüren sie ihre Emotionen intensiv. Die Überwindung
von einer Essstörung ist von schmerzlichem Inhalt. Betroffene müssen wieder
lernen, ihren Gefühlen einen Raum zu geben. Nach der Einstellung: Gefühle wollen gefühlt werden, auch wenn
sie wehtun.
Es bleibt
offen die Frage: „Wie können wir Essanfälle erfolgreich vorbeugen“?. Zuerst
muss der Betroffene selber die Art des Essanfalls erkennen. Sonnenweg legt im Allgemeinen viel Wert auf
die kognitive Verhaltenstherapie in Verbindung mit dem Ansatz zur
Emotionsregulation, die zurzeit weltweit verbreitet ist. Die Modulare Therapie
ist sehr starr und muss dem Einzelnen zugeschnitten werden. In meinem Konzept
spielen Commitment= Selbstverpflichtung, Entschluss, Skillstraining und Umgang
mit Gefühlen eine große Rolle. In den kommenden Texten werde ich mich mit dem
Thema „Umgang mit Gefühlen“ beschäftigen und das Gefühl „Scham bei Essstörungen
und Suchterkrankungen“ näherbringen.
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