Montag, 25. Dezember 2017
Sonntag, 10. Dezember 2017
Die Kunst Nein zu sagen
Die Kunst Nein zu sagen muss tatsächlich
erlernt, geübt und täglich trainiert werden. Menschen mit einer Essstörung bzw.
Suchterkrankung haben häufig Schwierigkeiten sich abzugrenzen. Dies lässt sich meist
auf ihre Biografie zurückführen und auf die Art und Weise, wie ihre
Bezugspersonen früher mit ihnen umgegangen sind. Es ist nicht selten der Fall,
dass die Kinder in der Familie Verantwortungen für einen Elternteil oder
Geschwister übernehmen oder Erwartungen erfüllen mussten, die nicht dem Kind
sein entsprachen. So mussten diese Kinder eine Rolle übernehmen, die nicht die eines
Kindes war und sie mussten die Wünsche der anderen und deren Bedürfnisse erfüllen.
Menschen die sich nicht abgrenzen
können, haben im Laufe ihres Lebens bestimmte Grundsätze und Haltungen
verinnerlicht. Der erste Schritt besteht darin, diese Grundsätze oder Mythen in
Frage zu stellen und zu relativieren. Ein Beispiel dafür ist der Grundsatz:
„Eine Bitte abzulehnen ist immer selbstsüchtig.“ Eine bessere Annahme wäre: „Eine
Bitte abzulehnen ist nicht egoistisch, es kann ab und zu selbstunterstützend
sein.“
Zudem gibt es verschiedene Härtegrade in
denen man Nein sagen kann. Dies reicht von Aussagen wie: „Na ja, vielleicht,
aber nicht jetzt gleich.“ bis zu „Dies kommt unter keinen Umständen jemals für
mich in Frage“. Die verschiedenen Intensitäten des Nein-sagens haben
unterschiedliche Wirkungen auf das Gegenüber.
Lernen Sie zuerst einige
Mythen zu relativieren!
Mythos:
„Ich sollte bereit sein, auf meine Bedürfnisse zu verzichten.“
Sinnvolle Annahme: ……………………………………………….
Mythos:
„Wenn ich mich durchsetze, werden die anderen auf mir rumhacken.“
Sinnvolle Annahme: ……………………………………………….
Mythos:
„Wenn ich eine Bitte ablehne, werden die anderen sagen, ich sei zickig und
selbstsüchtig und werden sich von mir abwenden.“
Sinnvolle Annahme: ……………………………………………….
Mythos:
„Wenn ich nicht jede zusätzliche Arbeit übernehme, werde ich bei der nächsten Gelegenheit
entlassen.“
Sinnvolle Annahme: ……………………………………………….
Kennen Sie aus Ihrem Leben andere Mythen
oder Glaubenssätze? Wie lauten Sie? Probieren Sie diese zu relativieren!
Eigene Beispiele:
Jetzt probieren Sie nach Ihren Wünschen und Bedürfnissen die Intensität des Nein-Sagens mit einer Skala von 1 bis 5 abzustufen und den Grund Ihrer Aussage zu begründen (1 bedeutet ja sagen oder verhandeln, 5 klar und bestimmt ablehnen).
-
„Sie
wollen die Pflanzen von Ihrer Nachbarin nicht gießen“
-
„Sie
wollen nicht den Hund Ihrer Mutter hüten“
-
„Sie
wollen nicht die Hausaufgaben für das Skillstraining machen“
-
„Sie
wollen Ihr Fahrrad nicht verleihen“
-
„Sie
wollen Ihrem Mitpatienten keine 50 Euro leihen“
Wie kann ich die Abstufungen beim Nein sagen
besser äußern?
Algorithmus
beim Nein sagen
1) Habe ich genau verstanden, was der
andere will? - Falls nicht - nachfragen.
2) Bin ich überhaupt in der Lage, dessen
Bitte oder Forderung nachzukommen? – Falls nicht, begründen und klar ablehnen.
3) Hat eine Absage eine negative Folge für
mich? – Falls ja: Zusagen, aber versuchen zu verhandeln.
Dienstag, 3. Oktober 2017
„Aktiv gesund werden!“
Die Behandlung von Essstörungen basiert zum
Teil auf Konzepten der Gesundheits- und Resilienzförderung. Resilienz ist die
Widerstandsfähigkeit des Menschen sich trotz widriger Umstände immer wieder neu
aufzurichten, sich an die neuen Lebenssituationen anzupassen und so auch
schwere Krisen zu bewältigen. Resilienz spiegelt unsere inneren Kräfte wieder.
Resilienz besteht aus sieben Säulen:
1) Optimismus: Die
positive Einstellung zu den therapeutischen Angeboten und die Zuversicht auf
eine baldige Genesung sind wichtig. Betroffene verlieren oft den Mut und ihre
Lebensfreude, weil es ihnen nicht bewusst wird, dass Essstörungen oder
Suchterkrankungen einen sehr langen Zeitraum bedürfen, um geheilt zu werden.
2) Akzeptanz:
Betroffene müssen sich zu ihrer Erkrankung bekennen und diese nicht verleugnen.
Die Akzeptanz ist der erste Schritt zum inneren Bewusstsein und zur
Veränderung. Wenn ich akzeptiere, dass ich krank bin, kann ich auch etwas
unternehmen, um meine Situation zu verändern. Im Laufe der Therapie lernen Sie
die sogenannte „radikale Akzeptanz“ kennen. Es wird ihnen bewusst, dass nicht
alles im Leben veränderbar ist. Sie können zwar Einfluss auf Ihre Essstörung
nehmen, aber Ihre schmerzvollen biografischen Erfahrungen hingegen nicht mehr verändern.
Sie lernen zu akzeptieren, was man nicht beeinflussen kann und was man im Hier
und Jetzt verändern kann.
3) Lösungsorientierung: Zur
Lösungsorientierung gehört die Fähigkeit ein Problem zu analysieren das die
Essstörung begünstigt oder aufrechterhält sowie die Bereitschaft das Problem
durch Lösungsvorschläge zu beseitigen.
4) Verlassen
der Opferrolle: Menschen mit einer Essstörung bzw. Suchterkrankung
haben einen hohen Leidensdruck und wurden in ihrer familiären Geschichte häufig
mit traumatischen Erlebnissen konfrontiert. Das nichts wert sein und die
emotionale Vernachlässigung begleiten die Betroffene ein Leben lang, so dass es
ihnen schwerfällt, die Opferrolle hinter sich zu lassen. Solange Betroffene in
dieser Rolle verbleiben, können sie keine Verantwortung für ein besseres Leben
übernehmen.
5) Verantwortung
für sich selbst: Die Opferrolle verlassen, sich für eine
Therapie und das reale Leben entscheiden, zu sich selbst stehen!
6) Netzwerkorientierung:
Einsamkeit ist meistens ein Auslöser von Essanfällen. Die therapeutische
Unterstützung reicht alleine nicht aus, um einen kontinuierlichen Halt zu
geben. Freundeskreis, Familie (nur wenn
sie eine Hilfe darstellt), Selbsthilfegruppen und Freizeitaktivitäten sind
äußerst wichtig, um die schwierigen Phasen der Heilung und Lebenskrise zu
überstehen.
7) Zukunftsplanung:
Neben den therapeutischen Maßnahmen, die im hier und jetzt stattfinden, lernen
die Menschen mit einer Essstörung ihr Leben ohne Essstörung zu planen. Um zu
planen, müssen sie ihre Ziele klar formulieren und festlegen. Ziele müssen
konkret und realistisch sein, damit Betroffene zukünftige Veränderungen im
privaten oder beruflichen Leben realisieren können.
Dienstag, 8. August 2017
Die Erstellung des eigenen Fallkonzeptes
In dieser Post möchte ich einen Beitrag zum Thema Bedürfnis-Emotionen bei Menschen mit Essstörungen geben. In der Therapie lernen Menschen mit Essstörungen ihre eigenen Gefühle besser wahrzunehmen, zu benennen und je nach Bedarf zu regulieren oder zu stimulieren. Die Auseinandersetzung mit bestimmten Gefühlen kann sehr schmerzhaft sein. Darum hilft die Psychoedukation, Informationen über die Emotionen zu vermitteln. Was sind Emotionen? Wozu brauchen wir sie? Was sind primäre und sekundäre Emotionen? Wie beeinflussen Emotionen unser Verhalten?
Emotionen sind Reaktionen auf innere oder
äußere Auslöser oder Stimuli. Unter äußeren Auslösern zählen Ereignisse oder
Situationen, die unser emotionales Erleben beeinflussen (z.B. Trennung,
Arbeitsverlust und sonstige schwere Schicksalsschläge). Innere Auslöser
hingegen sind Vorgänge wie Gedanken, Erinnerungen oder andere Emotionen, die
einen Einfluss auf unsere Gefühle haben können.
Emotionen sind wichtig, sie verkörpern unsere
Bedürfnisse und ermöglichen es, uns an die Umwelt anzupassen. Einsamkeit ist eine
Emotion, die uns darauf hinweist, dass wir das Bedürfnis nach Kontakt haben.
Die Einsamkeit kann nachvollziehbar sein, wenn ein Mensch in seiner
Lebensgeschichte Erfahrungen mit Verlassenheit und Beziehungsabbrüchen erlebt
hat. Das Gefühl ist per se nicht schlecht, denn es sagt uns das, was wir im
Moment brauchen. Einsamkeit wird aber zum Problem, wenn das Gefühl
überhandnimmt und einen Menschen weiter isoliert, die Emotion verstärkt sich
selber. Noch schlimmer kann es werden, wenn jemand die Einsamkeit durch andere
Bewältigungsstrategien wie Essen, Alkohol oder Drogen dämpft.
Wir können Emotionen im Leben als Reaktion auf verschiedene
Ereignisse nicht vermeiden. Die Frage ist: „Wann sind Emotionen angemessen und
wann nicht?“ Die Erstellung des eigenen Fallkonzeptes hilft, ursprüngliche
Bedürfnisse zu erkennen und angemessene Emotionen von unangemessenen Emotionen
zu unterscheiden, einen konstruktiven Umgang mit Emotionen zu gewinnen und ein dysfunktionales
Verhalten zu korrigieren. Unter dysfunktionalem Verhalten verstehen wir ein
Verhalten, das kurzfristig hilft aber langfristig schädigt. Im Fall einer
Essstörung können Fasten oder Essanfälle kurzfristig helfen, Gefühle
abzumildern. Langfristig können diese Bewältigungsstrategien die Problematik
verschlimmern und die Essstörung verstärken.
Zu dem Wissen über Emotionen gehört auch die
Emotionsanalyse. Diese beinhaltet folgende Aspekte:
Wann
werden Emotionen zum Problem?
-
sie sind nicht gerechtfertigt, z.B. eine
Person entwickelt Angstzustände, obwohl keine Gefahr besteht
-
sie sind gerechtfertigt, aber überzogen,
z.B. der Mensch ärgert sich, dass ein Kellner ihn im Restaurant nicht bedient
und er schreit ihn an
-
sie sind gerechtfertigt, werden aber nicht
umgesetzt, z.B. der Vorgesetzte erniedrigt einen Menschen seinen Kollegen
gegenüber. Der Betreffende reagiert nicht aus Schamgefühle, er wehrt sich nicht.
Von Vorteil wäre es, primäre von sekundären
Emotionen zu unterscheiden. Die primäre Emotion stellt eine unmittelbare
Bewertung eines Stimulus dar, die aus vergangenen aber sehr prägenden
Erlebnissen zu erklären ist. Die sekundäre Emotion dient dazu, die primäre
Emotion zu unterdrücken oder besser sogar zu vermeiden; z.B. eine Person mit
Essstörung kann mit Wut (sekundäre Emotion) ihre Schamgefühle und Angst
bekämpfen, die sie hinter der Wut versteckt.
In der Regel erkennt man die sekundären Gefühle
früher als die primären, weil die sekundären sich offener darstellen. Eine
Therapie sollte aber immer beide Emotionen bearbeiten, sowohl die primären als
auch die sekundären.
Wie
erstellt man ein Fallkonzept? Zuerst müssen die eigenen Bedürfnisse und die
damit verbundenen Gefühle erkannt werden.
Bildhafte
Veranschaulichung eines Fallkonzeptes.
Es
wird von unten nach oben gebaut.
Verhalten:
Sozialer Rückzug, Essstörung als Bewältigung
⇧
Sekundäre Emotion:
Depressivität, Traurigkeit
⇧ | |
Automatische Gedanken: z.B.
„Kollegen mögen mich nicht!“
⇧ | |
Situation: z.B.
Person wird von den Kollegen nicht eingeladen
⇧ | |
Bewältigungsstrategien:
Vermeiden:
z.B. sich angepasst und unauffällig verhalten
Bekämpfen:
z.B. bei Konflikten passiv-aggressiv reagieren
⇧ | |
Konditionale Annahmen
(Einstellungen und Regeln): z.B. Ich muss es den anderen immer recht
machen, ich muss mich unterordnen
⇧ | |
Grundüberzeugungen bzw.
primäre Emotionen: z.B. Ich bin nichts wert, ich gehöre nicht
dazu und werde nicht gemocht, Einsamkeit
⇧ | |
Negative Erfahrungen in der
Lerngeschichte: Z.B. Mangel an elterlicher Fürsorge,
Ausgrenzung in der Schule, Missachtung, Abwertung
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Bedürfnisse: z.B.
Bedürfnis nach Kontakt, Zugehörigkeit, Anerkennung, Wertschätzung
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