Behandlung von Essstörungen

Behandlung von Essstörungen

Dienstag, 8. August 2017

Die Erstellung des eigenen Fallkonzeptes



In dieser Post möchte ich einen Beitrag zum Thema Bedürfnis-Emotionen bei Menschen mit Essstörungen geben. In der Therapie lernen Menschen mit Essstörungen ihre eigenen Gefühle besser wahrzunehmen, zu benennen und je nach Bedarf zu regulieren oder zu stimulieren. Die Auseinandersetzung mit bestimmten Gefühlen kann sehr schmerzhaft sein. Darum hilft die Psychoedukation, Informationen über die Emotionen zu vermitteln. Was sind Emotionen? Wozu brauchen wir sie? Was sind primäre und sekundäre Emotionen? Wie beeinflussen Emotionen unser Verhalten?

Emotionen sind Reaktionen auf innere oder äußere Auslöser oder Stimuli. Unter äußeren Auslösern zählen Ereignisse oder Situationen, die unser emotionales Erleben beeinflussen (z.B. Trennung, Arbeitsverlust und sonstige schwere Schicksalsschläge). Innere Auslöser hingegen sind Vorgänge wie Gedanken, Erinnerungen oder andere Emotionen, die einen Einfluss auf unsere Gefühle haben können.

Emotionen sind wichtig, sie verkörpern unsere Bedürfnisse und ermöglichen es, uns an die Umwelt anzupassen. Einsamkeit ist eine Emotion, die uns darauf hinweist, dass wir das Bedürfnis nach Kontakt haben. Die Einsamkeit kann nachvollziehbar sein, wenn ein Mensch in seiner Lebensgeschichte Erfahrungen mit Verlassenheit und Beziehungsabbrüchen erlebt hat. Das Gefühl ist per se nicht schlecht, denn es sagt uns das, was wir im Moment brauchen. Einsamkeit wird aber zum Problem, wenn das Gefühl überhandnimmt und einen Menschen weiter isoliert, die Emotion verstärkt sich selber. Noch schlimmer kann es werden, wenn jemand die Einsamkeit durch andere Bewältigungsstrategien wie Essen, Alkohol oder Drogen dämpft.
Wir können Emotionen im Leben als Reaktion auf verschiedene Ereignisse nicht vermeiden. Die Frage ist: „Wann sind Emotionen angemessen und wann nicht?“ Die Erstellung des eigenen Fallkonzeptes hilft, ursprüngliche Bedürfnisse zu erkennen und angemessene Emotionen von unangemessenen Emotionen zu unterscheiden, einen konstruktiven Umgang mit Emotionen zu gewinnen und ein dysfunktionales Verhalten zu korrigieren. Unter dysfunktionalem Verhalten verstehen wir ein Verhalten, das kurzfristig hilft aber langfristig schädigt. Im Fall einer Essstörung können Fasten oder Essanfälle kurzfristig helfen, Gefühle abzumildern. Langfristig können diese Bewältigungsstrategien die Problematik verschlimmern und die Essstörung verstärken.

Zu dem Wissen über Emotionen gehört auch die Emotionsanalyse. Diese beinhaltet folgende Aspekte:
Wann werden Emotionen zum Problem?
-        sie sind nicht gerechtfertigt, z.B. eine Person entwickelt Angstzustände, obwohl keine Gefahr besteht
-        sie sind gerechtfertigt, aber überzogen, z.B. der Mensch ärgert sich, dass ein Kellner ihn im Restaurant nicht bedient und er schreit ihn an
-        sie sind gerechtfertigt, werden aber nicht umgesetzt, z.B. der Vorgesetzte erniedrigt einen Menschen seinen Kollegen gegenüber. Der Betreffende reagiert nicht aus Schamgefühle, er wehrt sich nicht.

Von Vorteil wäre es, primäre von sekundären Emotionen zu unterscheiden. Die primäre Emotion stellt eine unmittelbare Bewertung eines Stimulus dar, die aus vergangenen aber sehr prägenden Erlebnissen zu erklären ist. Die sekundäre Emotion dient dazu, die primäre Emotion zu unterdrücken oder besser sogar zu vermeiden; z.B. eine Person mit Essstörung kann mit Wut (sekundäre Emotion) ihre Schamgefühle und Angst bekämpfen, die sie hinter der Wut versteckt.

In der Regel erkennt man die sekundären Gefühle früher als die primären, weil die sekundären sich offener darstellen. Eine Therapie sollte aber immer beide Emotionen bearbeiten, sowohl die primären als auch die sekundären.

Wie erstellt man ein Fallkonzept? Zuerst müssen die eigenen Bedürfnisse und die damit verbundenen Gefühle erkannt werden.

Bildhafte Veranschaulichung eines Fallkonzeptes.
Es wird von unten nach oben gebaut.

Verhalten: Sozialer Rückzug, Essstörung als Bewältigung
 

       ⇧

Sekundäre Emotion: Depressivität, Traurigkeit
        ⇧
 



Automatische Gedanken: z.B. „Kollegen mögen mich nicht!“
        ⇧
 



Situation: z.B. Person wird von den Kollegen nicht eingeladen
        ⇧
 



Bewältigungsstrategien:
Vermeiden: z.B. sich angepasst und unauffällig verhalten
Bekämpfen: z.B. bei Konflikten passiv-aggressiv reagieren
        ⇧
 



Konditionale Annahmen (Einstellungen und Regeln): z.B. Ich muss es den anderen immer recht machen, ich muss mich unterordnen

         ⇧
 


Grundüberzeugungen bzw. primäre Emotionen: z.B. Ich bin nichts wert, ich gehöre nicht dazu und werde nicht gemocht, Einsamkeit
         ⇧
 



Negative Erfahrungen in der Lerngeschichte: Z.B. Mangel an elterlicher Fürsorge, Ausgrenzung in der Schule, Missachtung, Abwertung
          ⇧
 



Bedürfnisse: z.B. Bedürfnis nach Kontakt, Zugehörigkeit, Anerkennung, Wertschätzung