In dieser Post möchte ich einen Beitrag zum
Thema Bedürfnis-Emotionen bei Menschen mit Essstörungen geben. In der Therapie
lernen Menschen mit Essstörungen ihre eigenen Gefühle besser wahrzunehmen, zu
benennen und je nach Bedarf zu regulieren oder zu stimulieren. Die
Auseinandersetzung mit bestimmten Gefühlen kann sehr schmerzhaft sein. Darum
hilft die Psychoedukation, Informationen über die Emotionen zu vermitteln. Was
sind Emotionen? Wozu brauchen wir sie? Was sind primäre und sekundäre
Emotionen? Wie beeinflussen Emotionen unser Verhalten?
Emotionen sind Reaktionen auf innere oder
äußere Auslöser oder Stimuli. Unter äußeren Auslösern zählen Ereignisse oder
Situationen, die unser emotionales Erleben beeinflussen (z.B. Trennung,
Arbeitsverlust und sonstige schwere Schicksalsschläge). Innere Auslöser
hingegen sind Vorgänge wie Gedanken, Erinnerungen oder andere Emotionen, die
einen Einfluss auf unsere Gefühle haben können.
Emotionen sind wichtig, sie verkörpern unsere
Bedürfnisse und ermöglichen es, uns an die Umwelt anzupassen. Einsamkeit ist eine
Emotion, die uns darauf hinweist, dass wir das Bedürfnis nach Kontakt haben.
Die Einsamkeit kann nachvollziehbar sein, wenn ein Mensch in seiner
Lebensgeschichte Erfahrungen mit Verlassenheit und Beziehungsabbrüchen erlebt
hat. Das Gefühl ist per se nicht schlecht, denn es sagt uns das, was wir im
Moment brauchen. Einsamkeit wird aber zum Problem, wenn das Gefühl
überhandnimmt und einen Menschen weiter isoliert, die Emotion verstärkt sich
selber. Noch schlimmer kann es werden, wenn jemand die Einsamkeit durch andere
Bewältigungsstrategien wie Essen, Alkohol oder Drogen dämpft.
Wir können Emotionen im Leben als Reaktion auf verschiedene
Ereignisse nicht vermeiden. Die Frage ist: „Wann sind Emotionen angemessen und
wann nicht?“ Die Erstellung des eigenen Fallkonzeptes hilft, ursprüngliche
Bedürfnisse zu erkennen und angemessene Emotionen von unangemessenen Emotionen
zu unterscheiden, einen konstruktiven Umgang mit Emotionen zu gewinnen und ein dysfunktionales
Verhalten zu korrigieren. Unter dysfunktionalem Verhalten verstehen wir ein
Verhalten, das kurzfristig hilft aber langfristig schädigt. Im Fall einer
Essstörung können Fasten oder Essanfälle kurzfristig helfen, Gefühle
abzumildern. Langfristig können diese Bewältigungsstrategien die Problematik
verschlimmern und die Essstörung verstärken.
Zu dem Wissen über Emotionen gehört auch die
Emotionsanalyse. Diese beinhaltet folgende Aspekte:
Wann
werden Emotionen zum Problem?
-
sie sind nicht gerechtfertigt, z.B. eine
Person entwickelt Angstzustände, obwohl keine Gefahr besteht
-
sie sind gerechtfertigt, aber überzogen,
z.B. der Mensch ärgert sich, dass ein Kellner ihn im Restaurant nicht bedient
und er schreit ihn an
-
sie sind gerechtfertigt, werden aber nicht
umgesetzt, z.B. der Vorgesetzte erniedrigt einen Menschen seinen Kollegen
gegenüber. Der Betreffende reagiert nicht aus Schamgefühle, er wehrt sich nicht.
Von Vorteil wäre es, primäre von sekundären
Emotionen zu unterscheiden. Die primäre Emotion stellt eine unmittelbare
Bewertung eines Stimulus dar, die aus vergangenen aber sehr prägenden
Erlebnissen zu erklären ist. Die sekundäre Emotion dient dazu, die primäre
Emotion zu unterdrücken oder besser sogar zu vermeiden; z.B. eine Person mit
Essstörung kann mit Wut (sekundäre Emotion) ihre Schamgefühle und Angst
bekämpfen, die sie hinter der Wut versteckt.
In der Regel erkennt man die sekundären Gefühle
früher als die primären, weil die sekundären sich offener darstellen. Eine
Therapie sollte aber immer beide Emotionen bearbeiten, sowohl die primären als
auch die sekundären.
Wie
erstellt man ein Fallkonzept? Zuerst müssen die eigenen Bedürfnisse und die
damit verbundenen Gefühle erkannt werden.
Bildhafte
Veranschaulichung eines Fallkonzeptes.
Es
wird von unten nach oben gebaut.
Verhalten:
Sozialer Rückzug, Essstörung als Bewältigung
⇧
Sekundäre Emotion:
Depressivität, Traurigkeit
Automatische Gedanken: z.B.
„Kollegen mögen mich nicht!“
Situation: z.B.
Person wird von den Kollegen nicht eingeladen
Bewältigungsstrategien:
Vermeiden:
z.B. sich angepasst und unauffällig verhalten
Bekämpfen:
z.B. bei Konflikten passiv-aggressiv reagieren
Konditionale Annahmen
(Einstellungen und Regeln): z.B. Ich muss es den anderen immer recht
machen, ich muss mich unterordnen
Grundüberzeugungen bzw.
primäre Emotionen: z.B. Ich bin nichts wert, ich gehöre nicht
dazu und werde nicht gemocht, Einsamkeit
Negative Erfahrungen in der
Lerngeschichte: Z.B. Mangel an elterlicher Fürsorge,
Ausgrenzung in der Schule, Missachtung, Abwertung
Bedürfnisse: z.B.
Bedürfnis nach Kontakt, Zugehörigkeit, Anerkennung, Wertschätzung