Mittwoch, 20. Juni 2018
Die Macht des Jetzt
Im
Laufe der Therapie haben Menschen mit einer Essstörung oft die Erfahrung
gemacht, dass die gegenwärtige Entscheidung für das richtige Verhalten ausschlaggebend
ist. Sich für die aktuelle Situation zu verpflichten führt zu einer seelischen Erleichterung.
Beispiel: „Ich entscheide mich jetzt, die regelmäßigen Mahlzeiten zu mir zu
nehmen. Ab morgen weiß ich noch nicht.“ Dieses Commitment -Selbstverpflichtung
bzw. Entschluss - gilt für den Moment und verpflichtet einen, sich vorerst für
einen kleinen Schritt zu entscheiden. Kleine Schritte sind realistischer und
machbarer. Die jetzige Entscheidung wird sowohl von unseren Gedanken als auch
von innerlichen Sätzen beeinflusst.
Jeder
kennt die sogenannten „wenn-dann Sätze“. Diese Sätze können sich positiv oder
negativ auf uns auswirken. Ein Beispiel für eine negative Auswirkung von wenn-dann
Sätzen, ist etwas aufzuschieben, was man tatsächlich heute machen könnte. Entsprechend
der Einstellung: „Erst wenn ich richtig abgenommen habe, dann kaufe ich mir ein
neues Kleid. Erst wenn es mir wieder gut geht, dann gehe ich unter Leute. Erst
wenn ich wieder einen Freund habe, werde ich glücklicher sein.“
Von
wie vielen Bedingungen macht ein Mensch seine Zufriedenheit abhängig? Das
Aufschieben auf eine spätere Zeit hat teils mit der menschlichen
perfektionistischen Haltung und dem Strebung nach Vollkommenheit zu tun; z.B.
wenn wir denken es genügt noch nicht, wir warten lieber auf den besten
Zeitpunkt. Zum einen stellt das Aufschieben kurzfristig eine entlastende
Funktion für die Seele dar, das sich nicht sofort kümmern müssen bereitet
zunächst Beruhigung und Gelassenheit. Allerdings ist das Aufschieben mit der
Gefahr verbunden, dass wir das Vorgenommene nicht mehr realisieren, weil die
morgigen Bedingungen später anders aussehen, als heute. Zu einem späteren
Zeitpunkt könnte uns die Motivationsbereitschaft fehlen oder andere Faktoren
vorliegen, die uns von einer Veränderung abhalten.
Im
Hier und Jetzt kann ein Mensch eine verbindliche Entscheidung treffen und die
Verantwortung für die Veränderung tragen. Dies gilt besonders im Umgang mit
einer Essstörung oder Suchterkrankung. Ein positiver wenn-Satz könnte lauten:
„Wenn ich mich jetzt entscheide und tue, was mich gesund erhält, dann werde ich
es schaffen. Morgen wird ein anderer Tag sein. Morgen kann ich wieder eine
Entscheidung im Hier und Jetzt treffen.“ So wird ein Tag ohne Essstörung zu
einem weiteren Tag ohne Essstörung werden. Tage werden zu Monaten, Monaten zu
Jahren, usw.
Ein
weiteres Beispiel für die positive Wirkung von wenn-dann Sätzen stellt die
rechtzeitige Planung des Wunschverhaltens dar. In der Suchttherapie nennt man dies
„Antizipation“. Gemeint ist schwierige Situationen im Voraus zu planen, um z.B.
der Essstörung vorzubeugen. „Wenn ich merke, dass meine Freundin mich und meine
Figur ständig kritisiert und meine Heilung nicht unterstützt, dann werde ich das
Treffen mit ihr lieber vermeiden.“ „Wenn ich merke, dass Einkaufsvorräte meine Essanfälle
auslösen, dann werde ich nur das Notwendige für meine festen Mahlzeiten
kaufen.“
Samstag, 16. Juni 2018
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