Donnerstag, 31. März 2016
Das Trialogkonzept
(In abgekürzter Form aus meiner wissenschaftlichen Arbeit entnommen)
3 Lösungsansätze
in Kooperation mit der Sozialen Arbeit
3.1 Das Trialogkonzept
Abbilung 1: Trialoge in Norddeutschland. (Friedrich,
2016)
In der Sozialen Arbeit und im
Gesundheitswesen hat sich seit einigen Jahren ein Konzept etabliert, welches
alle Beteiligte benennt und sie in die Lösung des Problems mit einbezieht. Dieses
Konzept heißt Trialog und umfasst drei Parteien: Betroffene, Angehörige und
Fachleute. In dieser Konstellation sind alle drei Parteien Experte und stehen
gleichberechtigt zueinander. Diese Gleichrangigkeit ist die Besonderheit dieses
Konzepts. Hier können die verschiedenen Ansätze der Sozialen Arbeit, wie
Partizipation, Konstruktivismus, Vielfalt und Empowerment angewendet werden.
Nach der Leitlinien muss ein Trialog folgende
Kriterien erfüllen: „Ein Trialog ist eine Form der Begegnung, um voneinander zu
lernen. Er ist keine Therapie, sondern ein gleichberechtigter Austausch
zwischen Betroffenen, Angehörigen und Behandelnden. Die Themen werden von
allen Teilnehmern festgelegt. Was bringt ein Trialog? Erleben eines
Perspektivenwechsels. Aufbau einer offenen Handlungsstruktur und gemeinsamen
Ebene der Kommunikation“ (Friedrich, 2016). Im Trialog an der Schön Klinik
Hamburg Eilbek wird diese Haltung gefordert und unterstützt: „Wenn Menschen
psychisch krank sind, leidet ihre Familie mit. Weil Patienten, Angehörige und
Experten oft übereinander aber noch zu selten miteinander sprechen,
veranstalten wir regelmäßig einen „Borderline Trialog“. Hier sind alle Experten
und kommen zu Wort - der Kranke, seine Familie und die behandelnden Profis. Die
Trialog-Teilnehmer erleben gerade den Austausch über Alltagsfragen als besonders
hilfreich“ (Hamann, 2015).
Der Trialog hat eine soziale Funktion und
zeigt Möglichkeiten und Grenzen der Sozialen Arbeit auf. Bereits in dem Beitrag
von Kleve „über die Anregungen für ein postmodernes Verständnis der Sozialen
Arbeit“ betont, dass die Aufgabe einer postmodernen Sozialen Arbeit ist,
Probleme rechtzeitig zu erkennen, zu lösen, indem man sie kontruktivistisch
reflektiert (Kleve, 2003). Im Sinne vom Konstruktivismus verstand er in
unserer sehr ausdifferenzierten Gesellschaft die Notwendigkeit, die verschiedenen
Wirklichkeiten und Sichtweisen wahrzunehmen und zu akzeptieren, um eine
Problemlage optimal zu lösen.
Das Trialogkonzept wird in der Behandlung
von Borderline in einer offenen Veranstaltung wiederkehrend umgesetzt. Im
Rahmen der Vorbereitung dieser Arbeit hatte ich den Trialog-Tag am 16.12.2015
besucht.
Es wurde an diesem Tag das Thema „Familäre
Verstrickungen“ vorgeschlagen, mit der Frage, ob Menschen mit Borderline in der
Weihnachtszeit die Verwandtschaft und das Bekanntenkreis über ihre Erkrankung
und den Krankenhausaufenthalt informieren sollen und welche Konsequenzen es
nach sich ziehen würden. Es ergab sich folgende Diskussion, alle Teilnehmer des
Trialogs habe ich unbenannt:
Valeria, Betroffene: „Als ich erfahren
hatte, dass meine Mutter während meines Klinikaufenthalts der Nachbarin von
meiner Erkrankung erzählt hatte, habe ich mich beleidigt gefühlt und war
richtig enttäuscht“.
Mutter von Giulia: „ Es tut mir sehr Leid
und ich kann richtig nachvollziehen, wie du dich gefühlt hast. Aber ich denke,
deine Mutter hat es bestimmt nicht böse gemeint. In bestimmten Situationen
braucht ein Angehöriger jemanden, um zu reden, weil er mit der Erkrankung seines
Kindes sehr überfordert ist“.
Mutter von Valentina: „ Man sollte nicht
lügen. Wenn man es weiß, kann man mit der Sache besser umgehen. Als ich es
erfahren habe, dass meine Tochter an einer BPS leidet, habe ich mich unwohl
gefühlt. Es tat mir unheimlich weh, es nicht vorher bemerkt zu haben. Man
denkt, vielleicht hätte ich etwas anders machen können, wenn ich es vorher
gewusst hätte.“
Francesca, Betroffene: „Alle von meiner
Umgebung wissen davon. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Weg für mich
wichtig war“.
Familie Mantovani (Vater, Mutter, Schwester,
Tiziano): „Als Angehörige ist es für uns jetzt viel einfacher, weil wir den
Grund für das Ausrasten von Tiziano kennen“.
Chiara, Betroffene: „ Am Weihnachten ist es
oft kein Thema, weil jeder irgendwie seine Rolle findet. Das Problem besteht in
den anderen Tagen. Diese Erkrankung löst Angst und Vorurteile bei unseren
Mitmenschen aus. Ich denke, jeder Betroffene muss für sich selbst entscheiden,
ob er sich offenbaren möchte oder nicht“.
Martina Betroffene: „In Amerika gehört das
Borderline zum Alltag. Sie sind viel offener als wir. Dort fühlt man sich nicht
anders, wenn man das Borderline hat“.
Giorgia, Betroffene: „ Ich sehe es genauso.
Ich finde es erschreckend, wie sich die Menschen uns gegenüber äußern und verhalten.
Einmal hat eine Freundin mich sogar gefragt, ob ich mit meiner Erkrankung Auto
fahren darf.“
Im
Trialog geht es weder um falsch noch um richtig. Es handelt sich um Meinungen
und unterschiedliche Sichtweisen. Im Vordergrund steht die dialektische
Betrachtungsweise. In der Dialektik geht es darum, Gegensätze zusammenführen und
eine Denkweise einzuüben, die die Dichotomie „entweder-oder“, „schwarz-weiß“
„richtig-falsch“ ablehnt und das „sowohl als auch“ Denken fördert. Es werden
sowohl Vorteile und Nachteile einer Erkrankung betrachtet, um sie optimal zu
lösen. (Sipos & Schweiger, 2012). Menschen mit Borderline sowie Angehörige
und Behandler profitieren davon und finden Treffpunkte, um eine gegenseitige
Entlastung zu gewinnen.
Daniela Sció (2016/03/29)
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