Ein verantwortungsbewusster
Therapeut gibt dir keine Ratschläge, sondern begleitet dich dabei deine
Autonomie zu wahren indem er dich frei entscheiden lässt. Wenn ich mit Klienten
arbeite stelle ich fest, dass es oft notwendig und hilfreich ist, sie in ihrer
Unabhängigkeit zu unterstützen, um dadurch eine Heilung zu ermöglichen. Diese Arbeit ist
komplex und verlangt Übung. Am Anfang haben die Klienten den Wunsch nach
Heilung. Aber es ist ihnen nicht bewusst, dass eine Therapie intensive Arbeit
an sich selbst bedeutet und die sogenannten Veränderungen voraussetzt.Ihr klassisches
Verhalten gleicht dem wie bei einem Arztbesuch: „ Ich habe dieses Problem oder
Unbehagen und bitte reparieren Sie mich!“ Ob sie wohl glauben, dass ein
Therapeut magische Kräfte hat, um Menschen zu heilen? Das erheitert mich
gelegentlich, obwohl ich zugeben muss: Bevor ich Therapeutin wurde, habe ich genau
die gleichen Erwartungen gehabt. Warum passiert es? Weil wir uns „menschlich“
verhalten indem wir keine Lust haben die Antworten selbst zu suchen, sondern suchen
nach jemandem, der sie uns gibt. Das geschieht aus Unsicherheit,
Bequemlichkeit und ein wenig Faulheit mag auch dabei sein. Fazit: Es ist
äußerst mühsam, an sich zu arbeiten!
Wenn man mich fragt:
„Daniela was würdest du an meiner Stelle tun?“ antworte ich mit der Gegenfrage
„ Was würdest du dir an meiner Stelle raten?“. Sie schauen mich zunächst verwundert
an, aber beantworten dann meine Gegenfrage.
Mit dieser Taktik kann
ich ihre Autonomie unterstützen und mache ihnen die Bedeutung der
Zusammenarbeit bewusster.
Bei Menschen mit
Essstörungen konnte sich die Erkrankung entwickeln, weil sie in ihrer Biographie
gezwungen waren, ihr Selbst aufzugeben und eine neue Identität aufzubauen, um damit
die Anforderungen ihrer Umwelt zu erfüllen. Als ehemalige Betroffene und Therapeutin weiß ich heute, dass eine
selbstbewusste Arbeit wirksamer als eine gezwungene ist. Ambulante Betreuung
ermöglicht das persönliche Wachstum, da der Klient damit Verantwortung für die
Heilung übernimmt.
Bei stationärer
Behandlung sieht diese Arbeit anders aus. Die Beziehung kann sich „asymmetrisch“
= von oben nach unten entwickeln.. Die
Patienten werden kontrolliert und gezwungen, alles aufzuessen und nicht zu
erbrechen. Darum gibt es keinen Platz und keine Zeit für eine selbstbewusste
Arbeit. Die Heilung beginnt im Kopf und erreicht die Seele. Sobald dieser
Prozess bewusst wird, kann der
Betroffene bestimmte Schritte machen, sich selbstbewusst für die Genesung
entscheiden, ohne dass jemand ihm Vorschriften macht. Zu diesem Prozess gehören
die Bewusstmachung bzw. Wiederfindung der eigenen Identität und die Arbeit an den
Gefühlen, die ihren Raum wieder bekommen.
Der Weg zu uns selbst
ist kein einfacher Weg. Aber er ist der einzige Weg, der uns befreien kann.
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