Behandlung von Essstörungen

Behandlung von Essstörungen

Sonntag, 19. Juli 2015

Wichtigkeit unserer Werte


"Wenn es bisher so war, bedeutet nicht, dass es so bleiben muss" (Daniela)
 

Jeder Mensch befindet sich mindestens einmal im Leben in einem Zustand des Zweifelns: Er zweifelt an sich selbst und fühlt sich den verschiedenen Lebensanforderungen nicht mehr gewachsen. Zweifel und Unsicherheit entstehen durch plötzliche unerwartete Veränderungen und zeigen uns, dass der Mensch nur in gewissem Maße sein Leben wirklich steuern und gestalten kann. Wir können nicht alles kontrollieren und wenn wir die Kontrolle über unser Leben verlieren, geraten wir in Schwierigkeiten. Folglich zweifeln wir an unseren Kräften und Fähigkeiten.

Das Leben des Menschen ist sehr komplex. Wir richten uns meistens auf erlernte Werte aus, um eine bestimmte Sicherheit zu gewinnen und unser Leben zu erfüllen. Werte geben uns Sicherheit und Richtung an, damit wir unsere Wünsche verwirklichen können.

Von den Menschen werden unterschiedliche Prioritäten gesetzt. Auf der Basis unserer Erziehung und Lebenserfahrung trifft jeder von uns seine individuellen Entscheidungen, richtet sich an seinen Werten aus und legt seine Lebensziele fest. Bei den Menschen mit einer Essstörung trifft dies nicht zu, weil die Werte aufgrund der Erkrankung verloren gegangen sind. Das heißt, die Essstörung hat so viel Raum eingenommen, dass der Betroffene selber nicht mehr weiß, was ihm in seinem Leben wichtig ist. Bei einer schwerwiegenden Symptomatik nimmt z.B. die Bulimie das gesamte Leben ein, so dass der Tagesablauf des Betroffenen nur aus Essanfällen und Erbrechen besteht. Aus diesem Grund ist es nach der Stabilisierung äußerst wichtig, dass sich der Betroffene seine Werte hinterfragt und so sein Leben ohne Essstörung planen kann.

Mit dem Lebensrad (Tortendiagramm mit einer Verteilung) lernt der Betroffene seine Werte in Betracht zu ziehen, alte Interessen oder sogar neue Leidenschaften zu entdecken, die ihm früher unbekannt waren. Für die Gestaltung des Lebensrads wäre es sinnvoller eine gleichmäßige Verteilung zu berücksichtigen, damit unser Leben bunter aussieht und in Krisensituationen andere Aspekte des Lebens in Vordergrund treten können. Stellen wir uns vor, dass wir alles auf eine Karte setzen. Wie sieht unser Leben aus? Es läuft gut, wenn wir zufrieden sind und alles läuft, wie wir uns vorgestellt haben. Aber es kann auch schief gehen, wenn sich etwas ungeplant verändert. Dann könnten wir schnell in ein großes Loch fallen und in einer Krise stecken. Ein Beispiel dafür sind Leistungssportler, bei denen der sportliche Erfolg in ihrer Lebensplanung an der ersten Stelle steht. Wenn sie einen plötzlichen Unfall erleiden, öffnet sich für sie eine ernste Krise, weil ihre sportliche Karriere plötzlich gefährdet ist.

Genauso geht es den Essgestörten, die alles auf Ernährung, Gewicht und ihre Figur gesetzt haben. Die Gefahr vor einem Abrutschten ist sehr groß. Sie haben andere wichtige Lebensbereiche vernachlässigt und ausgeblendet, um ihren unrealistischen Idealen zu folgen. Mit dem Lebensrad können sie die Wichtigkeit anderer Lebensbereiche betrachten und neue Lebensziele festlegen. Übrigens müssen sie beachten, dass ihre Aktivitäten sowie Lebensbereiche nicht durch Leistung charakterisiert werden sollten. Essgestörte verfügen über perfektionistische Züge, stehen unter einem Leistungsdruck und erleben häufig ihre Aktivität als Wettkampf oder Leistungsbeweis. Die ausgesuchten Aktivitäten sollten eher Vergnügen und Entlastung bereitstellen. Unzufriedenheit im beruflichen Leben stellt ein häufiges Thema in der Therapie dar. Es liegt daran, dass sich Essgestörte wegen ihrer Erkrankung nicht entwickelt haben, wie sie es wollten. Die Erkrankung hat dazu beigetragen, dass sie ihr wahres Selbst geopfert und sich den äußeren Anforderungen extrem angepasst haben. In allen ihren Lebensbereichen zeigen sie eine ungesunde Anpassungsfähigkeit, die besonders das berufliche Leben betrifft. Ein wichtiger Schritt in der Therapie wäre, lernen Abgrenzungsfähigkeit zu entwickeln und Wichtigkeit der eigenen Werte zu erkennen, damit das Leben des Betroffenen in eine neue Richtung geht.

„Wenn es bisher so war, bedeutet nicht, dass es so bleiben muss.“

 

 

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